6. Dezember 2021
Ein Zuhause auf Zeit
Das Strand-Hotel „Seenelke“ setzt auf Ökostrom und steht damit für verantwortungsvollen Tourismus am Weltnaturerbe Wattenmeer.
Der Erste Weltkrieg war verloren. Der abgedankte Kaiser im Exil. Und Preußens Glanz und Gloria gingen letztendlich genauso unter wie der Kleine Kreuzer SMS Wiesbaden in der Skagerrakschlacht, der nicht nur den Dichter Gorch Fock mit sich in die Tiefe riss. Wilhelmshaven hätte also allen Grund gehabt zu resignieren. Bekanntlich war die Stadt 1869 nur zu einem einzigen Zweck gegründet worden, sie sollte der deutschen Marine einen adäquaten Heimathafen an der Nordseeküste bieten.
Das Gegenteil war der Fall. Man nutzte die Chance, sich neu zu erfinden. Tourismus statt Torpedos lautete die Devise. Pünktlich zu seinem 50. Geburtstag begann Wilhelmshaven sich infolgedessen als „Seebad größeren Stils“ zu etablieren. Nach den Plänen des Wilhelmshavener Stadtbaurats Hermann Zopff entstanden in den 1920er-Jahren für rund eine Million Reichsmark fünf Strandhäuser in der seinerzeit angesagten expressionistischen Ziegelarchitektur.
Sanfter Tourismus
Am 16. Juni 1928 wurde der 600 Meter lange Südstrand eingeweiht. Heute wie damals befindet sich dort unter der Hausnummer 120 die „Seenelke“. Ein Kleinod, das 2006 von Inge Schiersch Janssen und Volker Schiersch aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde. Umfangreiche Sanierungen und viel Fingerspitzengefühl waren notwendig, um das Gebäude einerseits den Bedürfnissen der Gäste anzupassen und anderseits seinen ganz besonderen Charakter zu erhalten. Entstanden ist dadurch ein kleines feines Strand-Hotel mit acht individuell gestalteten Suiten. Inspirierende Räume, um die Seele baumeln zu lassen. Fernab vom Alltagsstress und Mainstream. Weitblick, Wattenmeer und Wellness gehören hier ebenso zum Wohlfühlpaket wie der Anspruch, jeden Wunsch des Gastes zu erfüllen.
„Es ist ein Zuhause auf Zeit, in dem sich Menschen um Menschen kümmern“, beschreibt Bianca Ronken die Philosophie des Unternehmens. Seit mittlerweile sechs Jahren leitet die Auricherin die „Seenelke“ mit ihren 15 Mitarbeitern und bis zu 40 Saisonkräften. Es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen, verrät die 48-Jährige mit strahlenden Augen. Dieses Stück Verliebt-Sein begleitet sie seitdem bei allen Entscheidungen rund um das Haus.
Die Zukunft ist grün
„Als mit Corona die Lockdowns kamen, haben Inge Schiersch-Janssen und ich uns überlegt, wie wir uns für die Zeit danach aufstellen wollen“, erklärt die Ostfriesin. Während sie das ausspricht, zeigt sie aufs Meer: „Wir haben das Weltnaturerbe Wattenmeer jeden Tag vor Augen. Auf diese Weise fühlt man sich nicht nur mit der Natur verbunden, sondern auch für sie verantwortlich. Nachhaltigkeit ist somit ein sehr wichtiges Thema für uns.“ Daher bezieht das Hotel zukünftig Ökostrom von der GEW Wilhelmshaven GmbH.
Und nicht nur das kommt der Umwelt zugute. „Bei der Produktion der benötigen Strommenge werden bis zu 78 Tonnen weniger Co2 an die Atmosphäre abgegeben als bei herkömmlichem Strom“, erläutert Lars von Glahn. Für den Abteilungsleiter des GEW-Geschäftskundenvertriebs ist der Wechsel auf Ökostrom in der Regel der Einstieg in ein Gesamtkonzept rund um die erneuerbaren Energien. Bianca Ronken nickt zustimmend: „Gerade ist die Photovoltaik-Anlage auf unserem Dach genehmigt worden. Dabei haben wir selbstverständlich die Denkmalschutzauflagen berücksichtigt.“ Im kommenden Jahr werden auf dem Parkplatz zudem Ladestationen für die Elektrofahrzeuge der Gäste eingerichtet.
Offen für Neues
Energieeffizienz hat viele Gesichter, unterstreicht Lars von Glahn und ist begeistert von den Umbauplänen für die Hotelküche, in der aktuelle energetische Erkenntnisse einfließen werden. „Es ist eine Erweiterung vorgesehen. Zum einen, um mit moderner Technik Strom zu sparen. Zum anderen, um unseren Mitarbeitern einen noch attraktiveren Arbeitsplatz bieten zu können“, betont die Hotelleiterin mit Hinweis darauf, dass vor Ort und in der eigenen Bäckerei alles frisch mit regionalen und saisonalen Zutaten zubereitet wird. „Lecker ist bei uns alles. Mein persönlicher Favorit ist allerdings der Käsekuchen. Am besten mit einer Tasse Ostfriesentee und Blick aufs Meer“, gesteht sie lachend. Ausgesprochen beliebt ist außerdem das sogenannte „Wilhelmshavener Frühstück“.
Wer jetzt auf Herzhaftes wie Fisch setzt, wird eines Besseren belehrt: „In den sozialen Netzwerken haben wir die Einheimischen gefragt, was sie am liebsten morgens essen. Das Ergebnis hat uns ziemlich überrascht: Käse, Rohkost und ganz viel Obst.“ Rührei mit Krabben kann man natürlich in der „Seenelke“ weiterhin ordern. Das ist und bleibt ein Klassiker auf der Speisekarte. „Unser Haus lebt schließlich von seiner Tradition. Jedoch sollten Traditionen ausbaufähig sein“, findet Bianca Ronken.
Das darf man bei der „Seenelke“ übrigens durchaus wörtlich nehmen. Denn Anfang 2022 soll das Hotel für zweieinhalb Monate geschlossen werden. Ein Fahrstuhl wird eingebaut. Etwas, das viele Reisende in dem historischen Klinkerbau bislang vermisst haben. Kein leichtes Unterfangen in einem denkmalgeschützten Objekt: „Aber geht nicht, gibt es bei uns nun einmal nicht, wenn es um die Wünsche unserer Gäste geht.“