19. Juli 2021
Vögel machen glücklich!
Eine Ode an das Birding von Imke Zwoch, Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer
Der Mai ist ein Lieblingsmonat für Naturbeobachtungen auch in der Stadt. Überall sind die Vögel eifrig beim Brutgeschäft zu sehen und zu hören. Einige Vogeleltern haben bereits alle Schnäbel voll zu tun, um den stets hungrigen Nachwuchs zu versorgen. Andere sind erst dabei, die Kinderstube einzurichten, wieder andere sind noch mit der Vogelhochzeit beschäftigt.
In unserer Stadt direkt am Weltnaturerbe Wattenmeer und mit vielen Parks und Grünanlagen haben wir eine große Vogelvielfalt direkt vor der Haustür – ob Wat-, Wasser- und Küstenvögel, Sing und Greifvögel und weitere Artengruppen. Symbolvogel Wilhelmshavens ist die Flussseeschwalbe. Mitte April erreichte Seeschwalberich Willi als erster die Brutkolonie am Banter See, täglich kehrten dann weitere Artgenossen aus den afrikanischen Winterquartieren zurück und am 1. Mai entdeckte das Forschungsteam dort das erste Ei dieser Saison.
Charaktervögel der Jadestadt sind mittlerweile auch die Steinwälzer, die den größten Teil des Jahres am Südstrand unterwegs sind. Jetzt zur Brutzeit haben sie sich ins Prachtkleid geworfen und starten bald in die nordischen Brutgebiete.
Im Stadtgebiet wird jeder Grünzug zum Augen- und Ohrenschmaus. Amseln, Singdrosseln und Rotkehlchen präsentieren ihre melodischen Gesänge gern von oben herab, von Baumwipfeln oder Dächern. Der Zaunkönig präsentiert sich eher auf Augenhöhe. Der bräunliche Winzling ist im Gebüsch leicht zu übersehen, mit seinem auffallend lauten Gesang jedoch nicht zu überhören. Auch die Heckenbraunelle ist eher dezent gekleidet, macht das aber mit ihren wunderschönen Melodien wett. Dem Buchfink ist sowohl das farbenprächtige Äußere wichtig als auch seine unverkennbare hübsche Gesangsstrophe. Der Gartenbaumläufer wiederum ist in beiden Disziplinen bescheiden. Sein Gefieder ist perfekt an die Rinde der Bäume angepasst, die er auf Nahrungssuche senkrecht erklettert, und nur mit gespitzten Ohren lässt sich sein leises Tüt erlauschen.
Ob groß oder klein, bunt oder dezent, laut oder leise: Vögel machen uns Menschen glücklich. Eine aktuelle europaweite wissen
schaftliche Studie kommt zu dem Schluss, dass eine hohe Vogelvielfalt vor der Haustür für die Lebenszufriedenheit genauso wichtig sein könnte wie das Einkommen. Zehn Prozent mehr Vogelarten steigern demnach die Lebenszufriedenheit ebenso wie eine vergleichbare Gehaltserhöhung. Die Vogelvielfalt hängt wiederum davon ab, wie vielfältig die Lebensräume – auch in der Stadt – sind. Nicht nur die Vögel selbst, sondern auch das grüne Umfeld machen die Menschen zufriedener.
Wer regelmäßig auf Birding-Tour geht, weiß auch ohne wissenschaftliche Studie: Spätestens nach fünf Minuten Konzentration auf die gefiederten Freunde hat man alles andere ringsum vergessen. Der Stress des Alltags, alles, was unsere Gedanken gefangen nimmt, ob Arbeit, Familie, Corona, verschwindet wie von Zauberhand. Gleichzeitig freuen sich Augen und Ohren, mal wieder ihr ganzes Können zu zeigen. Nach stundenlanger Nah-Sicht auf Bildschirm oder Werkbank mal wieder richtig in die Ferne fokussieren, um jede Flatterbewegung zu erhaschen. Und nach der x-ten Videokonferenz mit Headset endlich weit nach außen horchen, um die zarten tüts und huits zu erlauschen. Dazu kommt die Bewegung an der frischen Luft – Birding tut also rundum gut! Ein Grund mehr, die Lebensräume der Vögel vor unserer Haustür, im Nationalpark und Weltnaturerbe Wattenmeer und auch hinter den Deichen, zu schützen und zu erhalten.
Portraits ausgewählter Vögel der Wattenmeer-Region www.zugvogeltage.de/vogelarten